Nur ein Leben

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Freitag, 3. Februar 2012
...
nieganzda, 12:04h
Ich kann mir nichts grausameres vorstellen, als emotionale Instabilität.
Man stelle sich vor, man schwebt in Lebensgefahr. Der Körper gefriert, alles wirkt auf einmal so unwirklich. Man hört sein eigenes Herz in seinem Kopf wummern wie Paukenschläge und gleichzeitig ist alles so weit weg, während man spürt, wie Welle um Welle das Adrenalin die Kontrolle über Verstand und Körper übernimmt. Menschen mit Panikstörungen müssen das nicht nur einmal erleben, diese furchtbare Todesangst.
Ich persönlich finde es hirnrissig von meiner Psyche, mich so etwas fühlen zu lassen, wenn ich vor dem Tod selbst doch meistens gar keine Angst habe.
Aber meine Gefühle sind unstet wie Wasser. Manchmal bin ich so ... manchmal breitet sich eine Spannung in mir aus, die so stark ist, dass ich am liebsten nackig in die eisige Kälte rennen und schreien würde. Aber ich weiß, dass dann der klägliche Rest meines Lebens vorbei wäre. Dann würde alle Welt sehen, was in mir schon lange, lange Zeit existiert. Meine Seele ist verkümmert und verschrumpelt, so ausgetrocknet, dass es nur eine kurze Berührung braucht, um sie zum Zerspringen zu bewegen.
Das wäre nicht einmal schlimm, eigentlich sehne ich mich sogar danach. Auszurasten, nicht mehr anders zu können, einfach das zu machen, was mir Befreiung geben würde. Hinausrennen und schreien und eine Laterne verprügeln, mit aller Kraft, die ich habe und dann einfach weinend zusammensinken und darauf warten, dass der Krankenwagen kommt, den dann sicher schon irgendjemand gerufen hat.
Ist das nicht traurig?
Stattdessen tue ich ... nun ja, ich tue gar nichts. Ich lasse nach wie vor das Leben an mir vorüber ziehen, sitze in meiner kleinen Wohnung und frage mich, wie es wäre, rauszugehen und Freunde zu haben und zu lachen, und zwar ungespielt.
Anstatt genau das zu tun, oder wenigstens zu versuchen, lähmt mich die Angst, weil K nicht da ist.
K ist seit einem halben Jahr mein Freund. Ich weiß nicht, wieso, aber er hält es mit mir aus, obwohl ich so wahnsinnig schwierig bin. Und genau in diesem Moment stelle ich mir vor, wie er über einer anderen liegt, oder mit seiner Mutter über seine schwierige Freundin spricht weil er nicht weiß, wie er sie am schonensten verlassen kann.
Ich bin vollkommen wahnsinnig. Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn er nicht mehr wieder kommt. Vermutlich würde ich tatsächlich eine Laterne verprügeln, aber noch wahrscheinlicher ist es, dass ich nichts tue - wie immer - einfach nur da sitze und warte, bis mir die Tränen die Sicht nehmen und dann warte, dass sie wieder verschwinden.
Warten tue ich schon seit Jahren. Ich warte und warte und warte und weiß nicht einmal worauf. Darauf, dass mir jemand die Entscheidung abnimmt, ob ich leben, oder doch lieber sterben soll?
Ich kann nicht einmal das eine, noch das andere. Wie soll ich dann überhaupt eine andere Wahl haben, als das zu sein, was ich bin? Nämlich ein Vakuum, ein Nichts, ein volles, leeres Geschöpf unter einer Glaskuppel das einfach nur dasitzt und sich mit Fantasie zudröhnt, als sei sie eine Wunderdroge, die allen Schmerz der Welt verschwinden lassen kann. Aber verschwindet diese Beschäftigung, dann kommen ganz andere Fantasien, die eigentlich nichts in meinem Kopf verloren haben sollten. Eingebungen, dass es jetzt verdammt einfach wäre, das Messer aus der Spüle zu nehmen, oder raus zu gehen und einem Auto Gutentag zu sagen. Der arme Fahrer ... die arme Mutter ... der arme Freund ...
Jeder, der behauptet, Selbstmörder sind feige, ist ein Idiot! Es gehört zu keiner Sache mehr Mut dazu, als zu der Entscheidung für den Tod. Da sich an meiner Unsicherheit nichts geändert hat, ändert sich auch nichts daran, dass ich mich niemals trauen werde und mich weiterhin in Selbstmitleid suhle. Ich frag mich, was K an Gemüse so interessant findet ... es ist doch unnötig, sich mit jemandem auseinander zu setzen, der gar nicht mehr am Leben teilnimmt und auch gar nicht mehr weiß, wie das überhaupt funktioniert mit der Kommunikation und dem Arbeiten und dem Gefühle-Ignorieren, das ich beherrschen sollte, wenn ich auch nur einen einzigen Arbeitstag dieser Welt überstehen will, ohne wieder einmal sehnsüchtig an die nächste Autobahn zu denken.
Ich will arbeiten! Ich will Kollegen haben und Freunde und dieses Erfolgserlebnis spüren, wenn meine Arbeit getan ist und ich will Schmerzen im Rücken haben, weil ich zu lange im Bürostuhl gesessen habe und zu kaputt sein, um noch zu kochen. Ich will einen Anruf von jemandem kriegen, der mit mir einen Kaffee trinken möchte um einfach nur über Belanglosigkeiten zu reden, weiter nichts. Mehr nicht.
Und kein Mensch auf der Welt kann mir erklären, warum es nicht geht! Warum ich so ein unglückliches Mädchen bin, das sich so sehr sehnt aber nichts erreicht. Weil ich es selber nicht weiß.
Wenn ich es nicht schaffe, hier rauszukommen, kann ich genauso gut die andere Entscheidung nehmen, einen großen Unterschied würde es nicht machen.
Ich meld mich wieder - bis bald.

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